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Fachliche Informationen
Das Thema Factory-Outlet-Center (FOC) beherrscht seit vielen Jahren die Diskussion im Einzelhandel. Factory-Outlet-Center sind Einkaufszentren, in denen - unter Umgehung des Groß- und Einzelhandels - internationale Markenartikel direkt an Endkunden verkauft werden. Damit ist diese Betriebsform von dem sog. Fabrikverkauf, dem an die Produktionsstätte angegliederten Verkauf, abzugrenzen. Bei einem FOC handelt es sich um eine Agglomeration meist kleinerer Verkaufseinheiten (bis ca. 500 m²) mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 10.000 bis 50.000 m². Gemäß §11 Abs. 3 BauNVO handelt es sich dabei zweifelsfrei um Einzelhandelsgroßprojekte bzw. großflächige Einkaufszentren. Charakteristisch ist die Lage der Projekte an peripheren Standorten, die in der Regel an das überregionale Autobahnnetz angebunden sind.
Die Betreiber selbst geben aufgrund der extremen Preisaggressivität der Factory-Outlet-Center durchschnittliche Einzugsbereiche von über 100 km an. Die Erfahrung zeigt, dass vor allem die Standortgemeinde und die anderen zentralen Orte der Region die nachteiligen Auswirkungen zu tragen haben. Bei den Sortimenten handelt es sich mehrheitlich um Textilsortimente der aktuellen Saison, ergänzt durch Schuhe, Uhren, Schmuck, Lederwaren und Haushaltwaren.
Alle diese Sortimente werden von der Landesplanung als sog. innenstadtrelevante Sortimente klassifiziert. Es handelt sich deshalb bei den FOCs im Prinzip um die Verlagerung der Kernsortimente der Innenstadt auf die grüne Wiese. Dabei entspricht ein FOC mit ca. 10.000 bis 15.000 m² bzgl. Größe und Verkaufsflächenstruktur dem Sortimentsangebot des inner-städtischen Einzelhandels eines Mittelzentrums!
Da in dieser Betriebsform überwiegend internationale Marken von „Global Playern“ angeboten werden, entsteht durch die FOCs - neben den strukturellen Veränderungen im Einzelhandel - gleichzeitig eine Bedrohung einheimischer mittelständischer Hersteller, die sich in der Regel nicht in den Einkaufszentren einmieten können.
Es wird immer wieder argumentiert, dass sich die Befürchtungen gegen FOCs in den USA nicht bestätigen. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass dort deutlich höhere Renditen im Einzelhandel bei einer gleichzeitig wesentlich geringeren Anzahl an Verkaufsfläche pro Einwohner erzielt werden. Im bundesdeutschen Einzelhandel sind dagegen seit Jahren die Umsätze rückläufig. Parallel dazu ist jedoch ein stark expandierendes Verkaufsflächenwachstum, vor allem an peripheren Standorten zu beobachten. Diese Verkaufsflächenexplosion führte, bei sinkenden und stagnierenden Umsätzen, zu einem extremen Wettbewerb im Einzelhandel.
Die Befürworter der FOCs verharmlosen die Auswirkungen dieser Betriebsform häufig mit der Aussage, dass nur ein bis drei Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes durch die FOCs gebunden werden. Diese Betrachtungsweise vernachlässigt die Tatsache, dass es sich bei der Sortimentsstruktur der FOCs nur um einige Branchen der Einzelhandelslandschaft handelt. Es ist deshalb unlauter, den Umsatz dieser selektiven Sortimente mit dem gesamten Einzelhandelsumsatz ins Verhältnis zu setzen. Betrachtet man dagegen die sortimentsspezifischen Abschöpfungsquoten für die direkt umliegenden zentralen Orte, so ergeben sich viel höhere - existenzbedrohende - Kaufkraftabflüsse.
Als äußerst problematisch muss auch die zu erwartende Arbeitsplatzbilanz bei der Ansiedlung von FOCs bewertet werden. So rechnen neben den Einzelhandelsverbänden auch die Industrie- und Handelskammern und die Gewerkschaften mit einer negativen Arbeitsplatzbilanz in der Region. Vor dem Hintergrund der extremen Preisaggressivität und des daraus resultierenden Kostendrucks erscheint die Schaffung von Vollzeitarbeitsplätzen oder gar Ausbildungsplätzen in größerem Umfang völlig unrealistisch.
Obwohl in Diskussionen oft auf England verwiesen wird, wird zumeist nicht erwähnt, dass dort aufgrund der Erfahrungen inzwischen äußerst restriktive Planungsvorgaben erlassen wurden. Nach einer mehr oder weniger liberalen Ansiedlungs- und Raumordnungspolitik erfolgte ab Mitte der 90er Jahre eine erhebliche Verschärfung und Konkretisierung der Steuerungsinstrumente. So hat z.B. die britische Regierung in einer Verordnung (Planning Policy Act) die Ansiedlung von Einkaufszentren auf der grünen Wiese nur noch in extremen Ausnahmefällen gestattet. Dies führte z.B. dazu, dass alle vier Folgeanträge des Investors des britischen „Vorzeige-FOCs“ in Bicester abgelehnt wurden.
Dagegen hat die Raumplanung im österreichischen Bundesland Salzburg eine ungebremste Ansiedlungspolitik auf der grünen Wiese ermöglicht: So wurde der Ausbau des Airportcenters in Wals bei Salzburg auf insgesamt 75.000 m², darunter allein 25.000 m² für ein FOC, nicht durch die Raumplanung verhindert. Am 10. September hat das FOC eröffnet. Der LBE hat bereits in der Vergangenheit auf die dramatischen Auswirkungen des Wildwuchses an Einzelhandelsgroßprojekten auf der österreichischen Seite hingewiesen und die Einhaltung der vereinbarten länderübergreifenden Abstimmung bei Einzelhandelsgroßprojekten gefordert. Schon jetzt ist aufgrund der massiven Ausweisung von Einzelhandelsflächen mit innenstadtrelevanten Sortimenten an peripheren Standorten der Verlust der Funktionsfähigkeit der Stadt- u. Ortszentren in Südostoberbayern deutlich spürbar.
Auf bayerischer Seite wurde im Frühjahr 2007 im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens das FOC Piding (ca. 8.100 m² Verkaufsfläche) und damit das zweite FOC in Bayern genehmigt. Die Kommunen Bad Reichenhall und Markt Berchtesgaden haben gegen diese Genehmigung Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München eingereicht. Diese Klage wurde aus formellen Gründen abgelehnt. Die von Bad Reichenhall eingelegte Berufung gegen dieses Urteil ist aktuell beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig.
In Herrieden, Kreis Ansbach soll direkt an der A 6 ein FOC mit ca. 10.000 m² entstehen. Derzeit prüft das Wirtschaftsministerium in einem Zielabweichungsverfahren, ob das Projekt genehmigt werden kann. Der LBE hat sich bereits dagegen ausgesprochen.
In Selb, Oberfranken, wurde mittels eines Zielabweichungsverfahrens die Erweiterung des Factory In von derzeit 6.800 m² auf 11.800 m² Verkaufsfläche genehmigt. Gegen den Bescheid haben die Städte Hof, Bayreuth und Weiden Klage eingereicht beim Verwaltungsgericht Bayreuth, um das umstrittene Projekt auf juristischem Weg noch zu verhindern.
Im September 2005 war nach einem achtjährigen Tauziehen das FOC Ingolstadt (ca. 9.400 m²) eröffnet worden, das mit Genehmigung der Regierung von Oberbayern mittlerweile auf 14.115 m² erweitert wurde. Bereits seit 2003 besteht an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern das FOC Wertheim, das mittlerweile ca. 9.800. m² Verkaufsfläche erweitert wurde.
Die Problematik der Verlagerung der innenstadtrelevanten Sortimente in Einzelhandelsgroßprojekte wie z.B. in Factory-Outlet-Center auf der grünen Wiese wird auch in Zukunft eine große Herausforderung für die Landesplanung darstellen. Sollte es nicht gelingen, durch geeignete interkommunale und grenzübergreifende Abstimmungen Lösungen für derartige Projekte mit Auswirkungen auf ganze Regionen zu finden, werden in Zukunft - wie im Falle Ingolstadt - zunehmend die Gerichte über Fragen der Landesplanung zu entscheiden haben. Eine sinnvolle zukunftsorientierte Raumordnung wäre damit nicht mehr möglich.
Sollte es zudem nicht gelingen, die bestehenden landesplanerischen und baurechtlichen Instrumente angemessen einzusetzen bzw. zu ergänzen, werden auch Handelsbetriebe unserer Innenstädte gezwungen sein, diese zu verlassen. Wie alle Untersuchungen zeigen, kommt die Mehrheit der Besucher zum Einkaufen in unsere Städte. Müsste der Handel, der hier eine Magnetfunktion inne hat, aufgrund der ungleichen Wettbewerbsbedingungen den Wirtschaftsstandort Innenstadt verlassen, wären schwerwiegende volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Auswirkungen die Folge. Diese reichen vom Verfall der Immobilienpreise über den Verlust der urbanen Funktionsvielfalt unserer Innenstädte bis hin zur Sinnlosigkeit unserer ÖPNV-Systeme, die in der Regel radial auf die Innenstädte ausgerichtet sind. Die Erfahrung mit Fehlentwicklungen auf der grünen Wiese, die nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern gemacht wurden, bestätigten die für die dortigen Städte schmerzhafte These „Die Stadt braucht den Handel - aber der Handel braucht nicht die Stadt“.